Freitag, 13. Januar 2017
Geburtstagsfeier
Heute Abend feiert eine gemeinsame Arbeitskollegin ihren Geburtstag.
Ich arbeite in einem Call Center. Ich kann den meisten Leuten dort nicht viel abgewinnen.
Während der Arbeit bin ich ein umgänglicher Zeitgenosse, ich scherze, unterhalte mich und bin umgänglich. Ich nehme an, dass viele mich mögen. Aber das ist mir eigentlich ziemlich egal. Die Meinung dieser Menschen ist mir nichts wert und ich vermeide es tunlichst, meine Freizeit mit diesen Menschen zu verbringen.
Jessica ist da eine kleine Ausnahme. Sie ist ein herzensguter Mensch. Eine Italienerin mit einem Sohn. Ich habe zwar kein Interesse an ihr als Freundin, dafür verbindet uns einfach zu wenig. Aber man kann sich mit ihr unterhalten und Spaß haben. Sie ist aufrichtig, das schätze ich sehr an ihr.
Daher und weil Manuela es sich wünscht, gehe ich heute Abend mit ihr zu der Feier.

Auch wenn der Flurfunk schon sehr lange davon kündet, dass Manuela und ich wohl etwas am Laufen haben, scheiden sich hier die Geister. Die einen halten das nicht für vorstellbar, die anderen sehen da keinen Zweifel mehr. Sie möchte es natürlich nicht bestätigen. Und da es mir ziemlich egal ist, was diese Menschen von mir denken, spiele ich ihr Spiel mit. Was mich nur wieder stört ist, dass wir nun dieser Einladung gemeinsam nachkommen - wir schenken ihr sogar gemeinsam etwas (einen Schokoladen-Massage-Gutschein, den ich ausgesucht habe - sie zahlt 20€, ich 50€) - aber dort keine Gemeinsamkeit existieren darf. Wir können uns nicht frei bewegen, ich darf sie nicht küssen, muss die ganze Zeit erahnen, wann eine Berührung in Ordnung ist und wann nicht. Es ist ein permanenter Drahtseilakt zwischen dem was ich mir wünsche und dem, was erlaubt ist. Es ist anstrengend.

Es wird kein schöner Abend und ich habe auch direkt gesagt, dass ich nicht lange bleiben werde. Ich bin aktuell krank geschrieben. Ich habe Morbus Crohn und aktuell einen sehr starken Schub. Meine Medikation sprengt die Skala und die Tage bestehen zum Großteil aus Schmerz und Unannehmlichkeiten. Ihr habe ich angeboten, dass sie natürlich länger bleiben kann, wenn sie das möchte.
Und das wird sie vermutlich auch wieder.



Schnee und ein überraschender Anruf
Einsam wirkende Schneeflocken wehen durch meinen Garten. Vermitteln ein Gefühl von einer besseren Welt. Doch wenn sie die Erde berühren vergehen sie.

Ich habe gerade eine Einladung zum Frühstück von meinen Freunden erhalten. Zu den beiden ein paar Worte:
Ihn habe ich durch die Systemgastronomie damals kennen gelernt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und irgendwann hat er mich nach Hause eingeladen und mit seiner Frau habe ich mich auch gut verstanden. Ebenso mit ihrem gemeinsamen, aktuell fünfjährigen Sohn. Der Kleine liebt mich wirklich sehr. Und ich ihn. Er stellt mich allen gerne mit großen Worten und Gebärden als seinen "besten, alten Freund" vor. Es ist wirklich verzückend und ich lächle selig, wenn sein Gesicht dabei vor meinen Augen erstrahlt.
Beide kiffen sehr regelmäßig, bekommen es jedoch sehr gut und verantwortungsvoll mit ihrem Familienleben unter einen Hut. Der Kleine bekommt nichts davon mit und sie sind auch keineswegs ein Negativbeispiel für Drogenkonsum, wie ich finde.
Unsere Beziehung zueinander ist wirklich sehr offen. Die Beziehung zu dem Kleinen ist eher wie die eines nahen Verwandten, als die eines Freundes. Ich habe ihn schon unzählige Male vom Kindergarten abgeholt oder gebracht. Auf ihn aufgepasst, für ihn gekocht, mit ihm gespielt und Filme und Serien geschaut. Die Beziehung zu den Eltern ist ebenfalls sehr offen, man fühlt sich nicht wie bei Freunden, sondern wie bei der Familie. Man kann sein, wie man möchte. Man putzt sich nicht groß raus, sondern kann sich auch mal in Jogginghose begegnen und sich geben, wie man wirklich ist.

Aktuell kriselt es alles jedoch sehr, da er seinen Job verloren hat und in ein depressives Tief gestürzt ist, aus dem ihn keiner wirklich heraus bekommt. In der Hinsicht ist sein Drogenkonsum leider alles andere als förderlich. Dieser verstärkt natürlich noch die negativen Emotionen. Er sabotiert seine Beziehung zu seiner Frau durch die lächerlichsten Vorwürfe, die er in klaren Momenten natürlich als Unsinn entlarven kann. Aber dadurch verschwinden die paranoiden Vorstellungen nicht. Er kontrollierte sogar die Büstenhalter seiner Frau und warf ihr vor, dass sie bei bestimmten Schichten mit diesem oder jenem Kollegen immer den BH tragen würde.. also sehr obskur. Und er ist auch auf mich eifersüchtig. Um keinen Unmut zu stiften habe ich mich so weit distanziert, dass ich mich nicht mehr aktiv melde, sondern einfach abwarte, dass es sich wieder bessert. Aber das dauert nun schon seit fast vier Monaten.
Gerade hatte sie mich anrufen, da sie mir noch mein Geburtstagsgeschenk (ich hatte an Heiligabend Geburtstag) geben möchten. Ob ich nicht morgen zum Frühstücken kommen möchte. Ja, gerne. Aber passt es ihm?
Die Situation scheint unverändert zu sein. Doch hat sie auch keine Lust und Kraft mehr auf eingebildete Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Ich zweifle, nehme dann aber zögern die Einladung an. Nicht zuletzt, weil ich den Kleinen so gerne wiedersehen möchte. Er hatte mich zuletzt an Neujahr angerufen. Ich habe mich sehr über das Telefonat gefreut.

Ich hoffe, dass es morgen gut läuft. Und was Manuela betrifft, sie hat mir natürlich nicht mitgeteilt, ob und wann sie am Wochenende für mich Zeit hat. Erfahrungsgemäß verbringt sie die Tage aber mit den Kindern. Also es ist nicht zu erwarten, dass sie mich morgen früh sehen möchte.



Was mich an ihr hält?
Zuerst einmal danke für deinen Kommentar sopravvivere. Und ich bin ein Freund offener Worte. Hier muss niemand etwas beschönigen oder ein Blatt vor den Mund nehmen.

Ja, es ist im Augenblick auch wieder alles andere als rosig. Und ja, das Gefühl des Hinhalten ist eine Saat, die schon früh gesät wurde und nie ganz verschwindet.

Eine durchaus berechtige Frage: Was hält mich an ihr hält?
Die Antwort ist so offensichtlich kitschig, dass viele sicher die Augen verdrehen werden: ich liebe sie. Von ganzem Herzen.
Sie ist ein wundervoller Mensch. Sie ist ein guter Mensch. Aber sie ist auch sehr verdreht und verquer. Sie ist in einer Familie aufgewachsen in der nie über Probleme gesprochen wurde. Sie lebte immer in einer mehr oder weniger heilen Welt. In der man sich nicht scheidet, die Familie durch Egoismus zerstört.

Bevor es mit ihr und mir begann und nach Hermann (ihrer letzten Affäre) fragte ich sie einmal, ob sie denn nun weiter mit ihrem Mann zusammen bleiben möchte. Ob sie die nächsten zehn Jahre nun ohne Sex leben möchte, mit einem Mann, für den sie nichts mehr übrig hat. Ob sie das kann, ob sie das möchte. Und ja, das wäre für sie so in Ordnung. Für ihre Kinder. Um ihnen ihr Leben nicht zu zerstören.
Und nein, es ist nicht so, dass sie sonst ein unfassbar tolles Leben hat. Ihr Mann verdient nicht soviel, dass sie sich in Wohlstand wiegen kann und sich alles leisten kann. Aktuell haben sie sogar finanzielle Probleme, sodass sie überlegt, ob sie nun Vollzeit statt nur Teilzeit arbeiten gehen soll, damit sie über die Runden kommen.
Ich habe ihr schon unzählige Male versucht zu erklären, wie eindimensional ihr Handeln und Denken ist. Wie sehr sie sich, ihren Kindern und auch ihrem Mann damit schadet. Wenn sie unglücklich ist, wird sie das auch nicht vor den Kindern völlig verheimlichen können. Zurzeit liegt sie regelmäßig weinend den halben Tag im Bett. Auch ist schrecklich, dass sie ihren Kindern, so wie ihre Eltern, weiter vorleben möchte, dass es besser ist eine Lüge zu leben, als Probleme anzusprechen. Und sie begreift das auch alles in Momenten der Klarheit. Aber es macht einfach nicht Klick. Und ich kann noch soviel sagen, es wird nichts bringen, bis sie es nicht verinnerlicht.
Selbst für ihren Mann wäre es besser. Er weiß seit fast eineinhalb Jahren, dass die Ehe eine Farce ist. Er wusste von Herrmann. Und mich mochte er von Anfang an nicht, obwohl sie die Affäre mit mir nie offen zugegeben hat, bis er uns nachts einmal völlig betrunken antraf und mich tot prügeln wollte. Er ist völlig in seiner bizarren Welt gefangen, dass die Ehe wieder durch Magie zu retten wäre. Und solange sie nicht geht, wird er weiter daran festhalten und wird die Wahrheit nicht akzeptieren.

Sie versucht einfach alles richtig zu machen. Aber man kann es niemals allen recht machen. Und sie verliert sich auf ihrem Weg und kommt immer weiter davon ab.
Ich bin mittlerweile völlig ratlos und ehrlich gesagt ziemlich resigniert. Ich habe aufgegeben. Ich werde einfach warten und hoffen, dass sich der Knoten in ihrem Kopf löst und sie es begreift.

Und bis dahin liebe ich sie weiter mit all meiner Hingabe und werde weiter alles ertragen, wie schmerzlich es für mich auch sein mag.



Ein Abend für mich
Gestern schrieb sie zuerst, dass sie beim Leben ihrer Kinder schwört, dass sie nicht wisse, was sie noch bei ihrem Mann hält.
Ein paar Mails später wusste sie es dann offenbar doch. Es ist natürlich nicht ihr Mann per se. Sie verlässt ihr ja ganzes Leben: ihre Wohnung, ihre Nachbarn, die Familie ihres Mannes, ihre Sachen.
Ja, das sind natürlich triftige Gründe bei einem Menschen zu bleiben, den man kaum noch ertragen kann. Vor dem man sich schon vor den Kindern daneben benimmt, weil man sich angesichts dieser widerlichen Person einfach nicht mehr beherrschen kann. Da bleibt man doch gerne wegen den guten Nachbarn noch ein paar Jahre bei einem solchen Ehemann.

Also es tut mir leid. Ich bin wirklich ein verständnisvoller Mensch. Ich bin sehr empathisch, kann mich ausgezeichnet auch in abstraktere Sichtweisen hinein versetzen. Aber alles hat ein Ende. Hier endet mein Verständnis so langsam.
Wenn sie der Meinung ist, ihr Leben würde mit mir soviel schlechter werden als ihr bisheriges, dann bin ich ihr einfach nicht gut genug. Und das schrieb ich ihr dann auch. Sie bestritt es natürlich.

Als wir heute Abend wieder bei dem Thema angelangten, wurde sie sauer, weil ich ja alles falsch verstehen würde, dabei zitiere ich sie die meiste Zeit ja nur noch, um eben nichts mehr verdrehen zu können. Sie beendete die Unterhaltung mal wieder mittendrin und verabschiedete sich für heute.

Ich saß wieder alleine hier. Völlig stehen gelassen, mit unzähligen offenen Fragen. Das macht sie so gerne. Und ich kann sie noch sooft bitten, dies zu lassen, sie wird es einfach nicht lassen.
Aber statt mir den Abend wieder mit Serien schauen und traurigem "Auf der Couch liegen" zu vertreiben, erinnere ich mich an eines unserer Gespräche. Es würde ihr ja nicht passen, dass ich zu sehr auf sie fixiert bin. Zu wenig Freunde habe (ich habe exakt ein befreundetes Pärchen inkl. Kind) und zu wenig ohne sie mache. Es stört sie, dass ich ohne sie nicht so glücklich sei, wie mit ihr. Gut, dann mache ich eben was Schönes. Gehe in die Sauna. Zack: Tasche gepackt und ich bin zur Tür raus. Als ich im Bus sitze, dem Regen lausche, der gegen die Scheiben prasselt und mich in mein Buch "Erst grau dann weiß dann blau" vertiefe, kommt auch schon ihre SMS.

"würde mir wünschen dass wir weiter mailen."

Zur Erklärung an der Stelle: ich habe kein Smartphone (weil ich es nicht möchte!). Sie hasst es, SMS zu schreiben. Mails kann ich jedoch nur an meinem Laptop schreiben, wenn ich daheim bin.

Ich erkläre ihr also, dass ich gerade losgefahren bin, um mir einen netten Abend zu machen. So wie sie sich das immer wünschte. Plötzlich ist sie ganz kleinlaut. Macht mir keine Vorwürfe. Erkennt selbst, wie dumm und irrational sie sich benommen hat.
Ich versuche mich in dem kurzen SMS-Dialog sehr unbeschwert zu geben. Dies stößt auf Irritation. In der Sauna angekommen wünsche ich ihr einen schönen Abend.

Ich liebe die Saune vor allem wegen des heißen Whirlpools und des exklusiven, angenehm kühlen Schwimmbeckens. Ich mag auch gerne schwitzen und nette Aufgüsse. Aber dafür würde ich nur widerwillig den Eintritt zahlen. Für mich sind es die heißen Blubberblasen, die mich wie auf wohligen Wolken tragen und das große, fast immer leere Becken mit Wasser, welches den Impuls dazu geben.
Aber ich bleibe nicht lange. Nach weniger als 2 Stunden bin ich schon wieder in der Umkleide und schreibe ihr eine SMS. Sie schläft natürlich schon.

Auf dem Heimweg gönne ich mir noch tütenweise Fastfood. Ich bin zwar auch sehr für gutes Essen zu haben, sei es selbst gekocht oder schick Essen gehen. Aber manchmal finde ich schön fettiges Fastfood einfach genau richtig. Und daheim dann einen schönen Film oder eine Serie reinmachen. Da fühlt man sich wie ein kleines "Gilmore Girl".

Aber daheim erwartet mich nur wieder eine Flut an Mails. Eine wirrer als die nächste. Mir stoßen die drei Pommes schon wieder hoch, die ich in der Bahn genascht habe.