Geburtstagsfeier
Heute Abend feiert eine gemeinsame Arbeitskollegin ihren Geburtstag.
Ich arbeite in einem Call Center. Ich kann den meisten Leuten dort nicht viel abgewinnen.
Während der Arbeit bin ich ein umgänglicher Zeitgenosse, ich scherze, unterhalte mich und bin umgänglich. Ich nehme an, dass viele mich mögen. Aber das ist mir eigentlich ziemlich egal. Die Meinung dieser Menschen ist mir nichts wert und ich vermeide es tunlichst, meine Freizeit mit diesen Menschen zu verbringen.
Jessica ist da eine kleine Ausnahme. Sie ist ein herzensguter Mensch. Eine Italienerin mit einem Sohn. Ich habe zwar kein Interesse an ihr als Freundin, dafür verbindet uns einfach zu wenig. Aber man kann sich mit ihr unterhalten und Spaß haben. Sie ist aufrichtig, das schätze ich sehr an ihr.
Daher und weil Manuela es sich wünscht, gehe ich heute Abend mit ihr zu der Feier.

Auch wenn der Flurfunk schon sehr lange davon kündet, dass Manuela und ich wohl etwas am Laufen haben, scheiden sich hier die Geister. Die einen halten das nicht für vorstellbar, die anderen sehen da keinen Zweifel mehr. Sie möchte es natürlich nicht bestätigen. Und da es mir ziemlich egal ist, was diese Menschen von mir denken, spiele ich ihr Spiel mit. Was mich nur wieder stört ist, dass wir nun dieser Einladung gemeinsam nachkommen - wir schenken ihr sogar gemeinsam etwas (einen Schokoladen-Massage-Gutschein, den ich ausgesucht habe - sie zahlt 20€, ich 50€) - aber dort keine Gemeinsamkeit existieren darf. Wir können uns nicht frei bewegen, ich darf sie nicht küssen, muss die ganze Zeit erahnen, wann eine Berührung in Ordnung ist und wann nicht. Es ist ein permanenter Drahtseilakt zwischen dem was ich mir wünsche und dem, was erlaubt ist. Es ist anstrengend.

Es wird kein schöner Abend und ich habe auch direkt gesagt, dass ich nicht lange bleiben werde. Ich bin aktuell krank geschrieben. Ich habe Morbus Crohn und aktuell einen sehr starken Schub. Meine Medikation sprengt die Skala und die Tage bestehen zum Großteil aus Schmerz und Unannehmlichkeiten. Ihr habe ich angeboten, dass sie natürlich länger bleiben kann, wenn sie das möchte.
Und das wird sie vermutlich auch wieder.