Ein Abend für mich
Gestern schrieb sie zuerst, dass sie beim Leben ihrer Kinder schwört, dass sie nicht wisse, was sie noch bei ihrem Mann hält.
Ein paar Mails später wusste sie es dann offenbar doch. Es ist natürlich nicht ihr Mann per se. Sie verlässt ihr ja ganzes Leben: ihre Wohnung, ihre Nachbarn, die Familie ihres Mannes, ihre Sachen.
Ja, das sind natürlich triftige Gründe bei einem Menschen zu bleiben, den man kaum noch ertragen kann. Vor dem man sich schon vor den Kindern daneben benimmt, weil man sich angesichts dieser widerlichen Person einfach nicht mehr beherrschen kann. Da bleibt man doch gerne wegen den guten Nachbarn noch ein paar Jahre bei einem solchen Ehemann.

Also es tut mir leid. Ich bin wirklich ein verständnisvoller Mensch. Ich bin sehr empathisch, kann mich ausgezeichnet auch in abstraktere Sichtweisen hinein versetzen. Aber alles hat ein Ende. Hier endet mein Verständnis so langsam.
Wenn sie der Meinung ist, ihr Leben würde mit mir soviel schlechter werden als ihr bisheriges, dann bin ich ihr einfach nicht gut genug. Und das schrieb ich ihr dann auch. Sie bestritt es natürlich.

Als wir heute Abend wieder bei dem Thema angelangten, wurde sie sauer, weil ich ja alles falsch verstehen würde, dabei zitiere ich sie die meiste Zeit ja nur noch, um eben nichts mehr verdrehen zu können. Sie beendete die Unterhaltung mal wieder mittendrin und verabschiedete sich für heute.

Ich saß wieder alleine hier. Völlig stehen gelassen, mit unzähligen offenen Fragen. Das macht sie so gerne. Und ich kann sie noch sooft bitten, dies zu lassen, sie wird es einfach nicht lassen.
Aber statt mir den Abend wieder mit Serien schauen und traurigem "Auf der Couch liegen" zu vertreiben, erinnere ich mich an eines unserer Gespräche. Es würde ihr ja nicht passen, dass ich zu sehr auf sie fixiert bin. Zu wenig Freunde habe (ich habe exakt ein befreundetes Pärchen inkl. Kind) und zu wenig ohne sie mache. Es stört sie, dass ich ohne sie nicht so glücklich sei, wie mit ihr. Gut, dann mache ich eben was Schönes. Gehe in die Sauna. Zack: Tasche gepackt und ich bin zur Tür raus. Als ich im Bus sitze, dem Regen lausche, der gegen die Scheiben prasselt und mich in mein Buch "Erst grau dann weiß dann blau" vertiefe, kommt auch schon ihre SMS.

"würde mir wünschen dass wir weiter mailen."

Zur Erklärung an der Stelle: ich habe kein Smartphone (weil ich es nicht möchte!). Sie hasst es, SMS zu schreiben. Mails kann ich jedoch nur an meinem Laptop schreiben, wenn ich daheim bin.

Ich erkläre ihr also, dass ich gerade losgefahren bin, um mir einen netten Abend zu machen. So wie sie sich das immer wünschte. Plötzlich ist sie ganz kleinlaut. Macht mir keine Vorwürfe. Erkennt selbst, wie dumm und irrational sie sich benommen hat.
Ich versuche mich in dem kurzen SMS-Dialog sehr unbeschwert zu geben. Dies stößt auf Irritation. In der Sauna angekommen wünsche ich ihr einen schönen Abend.

Ich liebe die Saune vor allem wegen des heißen Whirlpools und des exklusiven, angenehm kühlen Schwimmbeckens. Ich mag auch gerne schwitzen und nette Aufgüsse. Aber dafür würde ich nur widerwillig den Eintritt zahlen. Für mich sind es die heißen Blubberblasen, die mich wie auf wohligen Wolken tragen und das große, fast immer leere Becken mit Wasser, welches den Impuls dazu geben.
Aber ich bleibe nicht lange. Nach weniger als 2 Stunden bin ich schon wieder in der Umkleide und schreibe ihr eine SMS. Sie schläft natürlich schon.

Auf dem Heimweg gönne ich mir noch tütenweise Fastfood. Ich bin zwar auch sehr für gutes Essen zu haben, sei es selbst gekocht oder schick Essen gehen. Aber manchmal finde ich schön fettiges Fastfood einfach genau richtig. Und daheim dann einen schönen Film oder eine Serie reinmachen. Da fühlt man sich wie ein kleines "Gilmore Girl".

Aber daheim erwartet mich nur wieder eine Flut an Mails. Eine wirrer als die nächste. Mir stoßen die drei Pommes schon wieder hoch, die ich in der Bahn genascht habe.